Ihr seid jetzt traurig,
aber ich werde euch wiedersehen.
Dann wird euer Herz sich freuen
und diese Freude kann euch niemand nehmen.

Johannes 16,2

Poldy
Du warst ein sanfter Riese, gutmütig und immer freundlich. Die besten Jahre deines  Lebens haben sie dir genommen. Die endlose Zeit im trostlosen Tierheim ohne jede Abwechslung muss für so einen intelligenten und neugierigen Hund wie dich eine Qual gewesen sein. Die jahrelange Vernachlässigung und fehlende tierärztliche Betreuung haben ihre Spuren an deinem Körper hinterlassen.
Bei deiner Ankunft hier hast du dich sofort wohl gefühlt, es war, als ob du schon immer hier gewesen wärst. Das warme Bettchen hast du gleich entdeckt und mein  Sofa wurde dein Lieblingsplatz. Und immer hungrig bist du gewesen, 3-4 Schüsseln am Tag hast du am Anfang in rekordverdächtiger Geschwindigkeit weggeputzt. Es dauerte nicht lange, da wurde dein löchriges Fell immer schöner, dir wuchs ein seidiger, rotbrauner Pelz. Deine Augen begannen zu glänzen und deine ganze Haltung war immer stolzer. Ich habe mich immer gefreut, wenn ich auf meinen schönen Hund angesprochen wurde.
Ich werde nie unseren ersten Spaziergang vergessen. Vor lauter Begeisterung über die vielen neuen Gerüche konntest du beim Pieseln gar nicht stehen bleiben, selbst das große Geschäft wurde im Laufen erledigt. Als ich dich nach ein paar Tagen auf den großen Wiesen hinter dem Haus ohne Leine laufen ließ, hast du die Weite für dich entdeckt. Ich musste dir ganz schön hinterhersprinten und erwischte dich erst nach einer Riesenstrecke  an deinem langen Schwanz. Du warst ja taub und nur durch den Körperkontakt konnte ich dich erinnern, dass es mich auch noch gab. Aber von da an brauchten wir die Leine fast gar nicht mehr. Du hast mich nie aus den Augen gelassen und ich konnte dich unbesorgt sogar im Dorf an der Straße frei mitlaufen lassen. Wir haben wunderschöne Spaziergänge gemacht, bei klirrender Kälte und blauem Himmel im Schnee, im strömenden Regen oder entlang der blühenden Frühlingswiesen. Aber das besondere Highlight für dich war unsere tägliche abendliche Runde durchs Dorf, da konntest du dann ausgiebig „Zeitung lesen“ und erkunden, welche Hunde tagsüber unterwegs gewesen waren.
Auf unserer letzten Dorfrunde hast du noch deinen (einzigen) „Feind“, den großen Asko, heftig angeblafft und mit der kleinen Daisy liebevoll geflirtet.
Ich habe nicht geahnt, dass nur wenige Tage später ein bösartiger Nierentumor deinem Glück ein Ende setzen würde. Dein unbeschwertes Seniorenleben dauerte leider nur ein halbes Jahr.
Ich vermisse dich überall, mein altes Schlappohr.

Mai 2015